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Stellungnahme zur Strompreiserhöhung

12. September 2022
Die Ankündigung der Strompreiserhöhung im Gaiserwalderblatt vom 2. September 2022 hat hohe Wellen geschlagen. Viele Reaktionen und Anrufe von besorgten und verärgerten Einwohnerinnen und Einwohnern zeugen davon. Wir verstehen den Unmut über die markante Strompreiserhöhung und bedauern diese zutiefst.

Es ist uns ein Anliegen, Sie transparent über die Hintergründe dieser unerfreulichen Entwicklung und über die weiteren Schritte zu informieren. Den Auftakt macht unser Gemeindepräsident, Boris Tschirky, der zu den Fragen Stellung nimmt, welche die Bevölkerung zurzeit am meisten beschäftigen.

Um wieviel verändert sich der Strompreis ab 1.1.2023 effektiv und wie setzt er sich zusammen? 

Foto Tschirky

Boris Tschirky: Der Strompreis verdreifacht sich, was einer Zunahme von 200 Prozent entspricht. Ein Zahlenbeispiel verdeutlicht dies: zahlt ein durchschnittlicher Haushalt gemäss der eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) für den Strom aktuell aufs Jahr gerechnet Fr. 954.-, so steigen seine Stromkosten im Jahr 2023 auf rund Fr. 2'900.-.

Der Preis setzt sich aus der bestellten Menge, den Netznutzungskosten und den gesetzlichen Abgaben zusammen. Wir bezahlen also nicht nur den eingekauften Strom unseres Stromlieferanten, sondern auch den Transport und die Systemleistungen. Auch diese haben aufgrund der aktuell schwierigen Situation ihre Preise erhöht.

Die Strompreiserhöhung für den Verbraucher kommt ausschliesslich durch den viel höheren Einstandspreis vom Strom durch die Produzenten und den erhöhten Gebühren für die Netznutzung durch den Bund zu Stande. Die Gemeindeabgaben verändern sich indes nicht. Die Gemeinde verdient deshalb am hohen Strompreis explizit nicht mit.

Warum trifft es die Gemeinde Gaiserwald bei den Strompreisen 2023 so viel stärker als andere Gemeinden?

Boris Tschirky: Gaiserwald hatte in den vergangenen Jahren äusserst günstige Strompreise. Die Versorgung in der Gemeinde zählte zu den attraktivsten im Kanton St.Gallen. Diese Position wollten wir auch im Jahr 2023 erreichen. Wir verfolgten die Preisentwicklung im Jahr 2021 sehr genau und da wir die Preise als zu hoch einstuften, verzichteten wir auf einen Kauf. Mit dem unerwarteten Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 jedoch, sowie der Strommangellage, explodierten die Preise sprichwörtlich. In der Hoffnung, diese würden sich wieder entspannen, warteten wir zu, mussten im Sinne der Versorgungssicherheit dann aber letztlich doch Strom beschaffen. Unglücklicherweise wurden auf 2023 auch noch die externen Netzkosten sowie die gesetzlichen Abgaben erhöht, die wir nicht beeinflussen können.

Viele andere Gemeinden in der Schweiz hat es weniger stark getroffen. Entweder haben sie sich mit einem Teil der Energie für das Jahr 2023 vor der Preisexplosion eingedeckt, oder ihre Verträge aus der Vergangenheit gelten noch, oder sie besitzen eigene Produktionsanlagen, die günstiger Energie produzieren können.

Weshalb hat Gaiserwald nicht rechtzeitig, vor der Preisexplosion, Strom gekauft?

Boris Tschirky: Im Nachhinein wissen wir, es wäre vorteilhafter gewesen, wenn wir im Jahr 2021 für mehrere Jahre Strom beschafft hätten. Da der Strompreis aber bereits damals mehr als doppelt so teuer war wie bis anhin, gingen wir und unsere beratenden Fachleute davon aus, dass sich der überhitzte Markt in absehbarer Zeit, spätestens im Sommer 2022, wieder beruhigen wird. Aufgrund der bekannten Faktoren und der Warnmeldungen des Bundes betreffend eine mögliche Strommangellage hat sich der Markt aber weiter erhitzt anstelle beruhigt. Da unsere langjährigen Verträge unglücklicherweise Ende dieses Jahres auslaufen, war ein Kauf unverzichtbar. Ansonsten wären wir 2023 ohne vertraglich zugesicherten Stromlieferungen für unsere Betriebe und Haushalte dagestanden. Das wollten wir in Zeiten des Strommangels dringend vermeiden.

Die Gemeinde Gaiserwald ist nun fürs Jahr 2023 mengenmässig zu hundert Prozent mit Strom versorgt, was nicht für alle Gemeinden gilt. Wer aktuell Strom kaufen will, muss derzeit mit über 80 Rp.pro kWh allein für den Einkauf rechnen.

Woher bezieht Gaiserwald den Strom?

Boris Tschirky: Die Gemeinde Gaiserwald bezieht ihren Strom auf dem Markt über eine sogenannte «strukturierte Energiebeschaffung». Dies bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Beschaffung mehrere Angebote von mehreren Lieferanten eingehen, welche die Energiemenge von Gaiserwald abdecken können. Der beste Preis und Lieferant zum Zeitpunkt der Beschaffung wird für die jeweilige Teil- oder Gesamtmenge berücksichtigt.

Haben der Gemeinderat und die beratenden Fachleute somit die allgemeine Lage unterschätzt?

Boris Tschirky: Aus heutiger Sicht würden wir anders handeln. Wir hatten aber auch das Pech, dass unsere langjährigen, äusserst attraktiven Lieferverträge gerade in diesem Jahr ausliefen. Insofern sahen wir uns im Sinne der Versorgungssicherheit veranlasst, in diesen schwierigen Zeiten, neue Lieferverträge zu deutlich schlechteren Konditionen einzugehen.

Wie geht es mit dem Strom nun weiter?

Boris Tschirky: Für 2023 haben wir die üblichen Strommengen eingekauft. Diese sind uns vertraglich zugesichert worden und sollten uns, sofern keine weiteren Marktstörungen auftreten, geliefert werden.

Für 2024 sowie für die Folgejahre werden wir unsere Einkaufsstrategie überdenken und gegebenenfalls neue Wege in der Strombeschaffung beschreiten. 

Wie will Gaiserwald Haushalte und Wirtschaft entlasten?

Boris Tschirky: Wir sind bestrebt, sowohl die Haushalte als auch die Unternehmen mit einer spürbaren «Abfederung» gezielt zu entlasten. Zu diesem Zweck hat der Gemeinderat eine Taskforce eingesetzt, die entsprechende Massnahmen prüft. Der Gemeinderat wird über diese beraten und beschliessen. Wir werden zu gegebener Zeit darüber informieren. Bund und Kantone werden unter Umständen auch noch entsprechende Massnahmen ergreifen. Bis zum 31. Dezember 2022 gelten nach wie vor die bisherigen Strompreise. 

Was macht die Gemeinde konkret, um Strom zu sparen?

Boris Tschirky: Auf den Winter hin prüfen wir verschiedene Massnahmen, um das freiwillige Sparziel des Bundesrates zu erreichen, zum Beispiel über die Senkung der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden oder über das teilweise Ausschalten der Strassenbeleuchtung.